Sonntag, Januar 20, 2008

Neuer Chefunterhändler, altbewährte Tricks


Kontinuität der Spaltungsversuche Teherans

Eines muss man Said Dschalili (Abbildung), dem ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister und Nachfolger Ali Larijanis als Chefunterhändler des nach Atomwaffen strebenden Iran lassen: Er beherrscht die Kunst des Täuschens und Auseinanderdividierens der westlichen Welt mindestens ebenso gut wie sein geschasster Vorgänger. Aber machen wir uns nichts vor: Bei der Verhandlungs- und Verzögerungstaktik des klerikal-faschistischen Mullah-Regimes musste man nicht zwingend davon ausgehen, dass nach einer schwarzen Mamba eine Blindschleiche kommt.

Überdies hat die Weltöffentlichkeit spätestens seit Veröffentlichung des unsäglichen Dossiers amerikanischer Geheimdienste mit dem verräterisch-symbolträchtigen Kürzel NIE zum iranischen Nuklearprogramm einen anderen, getrübteren Blick auf den Iran. Ein mediales und diplomatisches Fiasko ohnegleichen, das die schlimmsten Szenarien heraufbeschwören könnte. Damit manövrierten sich die USA in die schier ausweglose Situation, begründen zu müssen, warum ein Präventivschlag gegen die iranischen Anlagen notwendig sein könnte, wo doch NIE damit aufwartete, der Iran habe sein Atomwaffenprogramm 2003 eingestellt und die Fertigstellung einer neuen Bombe könne vor 2015 nicht realisiert werden.

Warum dem nicht so ist und der Bericht völlig außer Acht lässt, dass und wie der Iran über den schwierigeren und allseits nicht erwarteten Weg des zivilen Atomprogrammes sehr wohl zur Bombe kommen wird - und das spätestens 2009 - hat Alan M. Dershowitz in seinem Aufsatz Stupid Intelligence deutlich herausgestellt. Doch erstens interessieren sich Europa (Deutschland, Österreich vorneweg) und China aus handelspolitischen Gründen nicht für kritische Stimmen zum NIE-Bericht und zum anderen könnten aktuelle politische Beziehungen zur Mullah-Kratur empfindlich gestört werden - Beziehungen, die jetzt wieder heftig am Aufblühen sind, wie man feststellen kann. Darüber hinaus sind die deutschen Importe aus dem Iran trotz politischem Drucks um 50% gestiegen, wie auch bei Wind In The Wires nachzulesen ist.

Dass in dieser Idylle ein hart und konsequent nachforschender Inspektor wie der Belgier Chris Charlier nur als störend empfunden werden konnte und - beinahe unfassbar - vom Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA, Mohammed El-Baradei, auf Betreiben der Führung in Teheran (sic), und hier wohl durch die engen Kontakte Ali Larijanis mit El-Baradei, Anfang Juli 2006 kalt abserviert worden war, passt exakt in die gegenwärtige politische Landschaft. Charlier, der davon überzeugt war, "dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Teheran auf dem nuklearen Feld Dinge betreibt, von denen wir bis heute keine Ahnung haben", war eines der Glieder in einer Kette, das für die weitere „gedeihliche Zusammenarbeit“ zwischen IAEO, Europa, China und dem Iran als störend empfunden und deshalb herausgelöst werden musste*. Nach Charliers Entlassung wurde jede Anfrage, seine Untersuchungsergebnisse betreffend, sowohl von El-Baradei selbst als auch von IAEO-Sprecherin Fleming abschlägig beschieden.

Wie es weiterging wissen wir: Die Diplomatie des „Ich gebe ein wenig, fordere viel, gebe ein wenig, fordere viel….“- Spielchens zieht heute so gut wie ehedem und in einer Weise, wie sie in dieser Perfektion nur von totalitären Regimes beherrscht wird. Dass die verlogene Melange aus Appeasementpolitik, Wegsehmentalität und gleichzeitigem Ausbau der bilateralen Handelsbeziehungen der Europäer und Chinesen mit dem islamischen Klerikalregime neuerdings wieder Züge von ungezügelter Hemmungslosigkeit und offener Kumpanei aufweist, interessiert angesichts der verheerend-fatalen Fehlannahme, die iranische Bombe lasse noch etliche Jahre auf sich warten, nicht so sehr, ist doch Israel im Gesamtzusammenhang aller Überlegungen ein vernachlässigbarer Faktor.

Nichtsdestoweniger will man wenigstens den Anschein wahren und dem NIE-Bericht eine Interpretation abringen, die das Bedrohungsszenario einer iranischen Bombe wieder glaubwürdiger erscheinen lassen soll, denn "Ich habe die Geheimdienste verteidigt, aber ich habe auch deutlich gemacht, dass sie unabhängige Dienste sind", so Bush während seines Besuches in Saudi Arabien, und, um zu retten, was aus dieser verfahrenen Situation noch zu retten ist, weist er in einer Mischung aus Entschuldigung und Resignation darauf hin, dass die Geheimdienste [nun mal] zu ihren (!) Ergebnissen kommen würden, "unabhängig davon, was ich mir wünsche oder nicht wünschen würde.“

Anzeichen „heftigster“ diplomatischer Alibi-Betriebsamkeit gibt auch Walter Steinmeier („Steinmeier ist cool"), Hobby-Rapper und im Nebenberuf in Personalunion Integrationsbeauftragter, Vizekanzler sowie Außenminister, zu erkennen. Eine „harte Haltung“ will der warmherzige Gastgeber des syrischen Außenministers (wieder einmal) gegenüber dem Iran eingenommen wissen. Ob es dann zu „konstruktiven Haltungen“ kommen wird, wie er sie pikanterweise seinem syrischen Kollegen attestierte, lassen wir mal dahingestellt. Zu diesem Zweck hat er für kommenden Dienstag die fünf UN-Vetomächte zu einer Konferenz in Berlin eingeladen, bei der „erörtert werden soll“ - und jetzt kommt der Brüller - „wie die von der internationalen Gemeinschaft bislang gezeigte Geschlossenheit in der Atomfrage auch künftig gesichert werden könne.“ Darüber hinaus sei die Runde „gespannt auf einen Bericht El-Baradeis über seine Treffen mit dem geistlichen Oberhaupt im Iran, Ayatollah Ali Chamenei, und Präsident Mahmud Ahmadinedschad in der vergangenen Woche.“

Na, das kann ja was werden. Bei so viel geistlichem Beistand.

Hattip: Wind in the Wires

*Älterer Beitrag. Auf WELT Online nicht mehr abrufbar

Dazu passend: Der geschickte Atom-Poker des Iran

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