Dienstag, Mai 26, 2009

El-Baradeis unrühmlicher Abgang und die Leiche im Keller

Lebenslügen haben zu allen Zeiten Hochkonjunktur; sie unterliegen nie Schwankungen

Abbildung: El-Baradei im vertrauten Tête-à-tête mit Laridschani. Klicken Sie auf das Bild (rechte Maustaste "Link in neuem Tab öffnen") und Sie werden sehen, wie "lustig" Laridschani sein kann, wenn er den Westen am Nasenring führt.

Mohamed El-Baradei, 66, Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) und (Gott sei Dank) vermutlich im November 2009 nach seiner dritten Amtszeit aus dem Amt scheidend, zeigt im SPIEGEL-Gespräch [Englische Ausgabe] mit Dieter Bednarz und Nahost-„Spezialist“ Erich Follath, dass er mit dem ehemaligen iranischen Chefunterhändler und Holocaustleugner Ali Laridschani* in Sachen iranisches Atomprogramm zwei Charaktereigenschaften teilt - Trickserqualitäten und Farbenspiele eines Chamäleons.

Und er plant (leider) auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt eine aktive Rolle zu spielen, da „die atomare Bedrohung zu groß ist, als dass ich mich zurückziehen könnte“. Wer’s glaubt bekommt vom IAEA-Chef höchstpersönlich eine vergoldete Büroklammer geschenkt.

Kritische Selbstreflexion? Fehlanzeige!

Auf die SPIEGEL-Frage, ob er gescheitert sei, antwortet er im Brustton der Überzeugung eines eitlen Stutzers, der weiß, dass er alles richtig gemacht hat:
Ich habe viel erreicht [und]....alle anderen haben versagt
womit er die Internationale Gemeinschaft meint, die zugegebenermaßen und in selten naiver Einmütigkeit seiner Verharmlosungsstrategie gefolgt war und noch heute anhängt.


Dass er mit seinem politischen Zickzackkurs einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dem Iran zum zügigen Ausbau seines Nuklearwaffenprogramm zu verhelfen, lässt er nicht gelten, denn....
Die Internationale Gemeinschaft hat unsere Warnungen ignoriert […], unsere Bemühungen, Nordkorea in konstruktive Abrüstungsverhandlungen einzubeziehen, scheiterten; […]; und die Vorbedingungen, die an Gespräche mit dem Iran geknüpft wurden, waren für das Regime unannehmbar.
Ja? Vorbedingungen auch für El-Baradei unannehmbar?

Dieser Eindruck musste sich während der letzten Jahre zumindest partiell aufdrängen.
Redet so der oberste Funktionär einer Behörde wie der IAEA, die eigentlich die international vorgegebene Aufgabe hatte, einer nach Atomwaffen strebenden Ajatollahkratur durch eine hartnäckige Überwachung der Vorgänge in Natanz, Arak, Isfahan und Buschehr die Daumenschrauben anzuziehen, Nordkorea jetzt einmal außen vor gelassen?

Wofür wurde der IAEA - und damit auch El-Baradei - 2005 der Nobelpreis verliehen? Eine der meist berechtigten Fragen überhaupt, wenn man sich das Geschacher der iranischen Delegation um Ali Laridschani und die freundschaftlichen Beziehungen des Baukran-Regimes zu El-Baradei vor Augen führt (Achtung: Schockierendes Video).

Den Rest des Interviews bitte hier weiterlesen, weil es für Kenner der Materie außer Selbstbeweihräucherung nichts substanziell Neues bringt und ich keinen Bedarf habe, Frau Amirpurs Aufmerksamkeit zu erhaschen, die Hängung als Fortschritt im Vergleich zu Steinigung apostrophiert hatte.


Doch nun zur Leiche im Keller

So viel vorweg: El-Baradeis Leiche lebt, auch wenn er sie besser hütet als die Queen ihre Kronjuwelen im Tower.

Ich will einen Vorgang ins Gedächtnis zurückrufen, der 2006 relativ kleine Wellen schlug, aber ob seiner Brisanz zu den Schlüsselsituationen, die El-Baradeis Vorgehen und seine Beweggründe, sich in der Frage der atomaren Aufrüstung des Iran eben genau so zu positionieren, wie er es tat, erhellenden Aufschluss gibt.

Bruno Schirra vom Cicero (Herzlichen Dank nachträglich!) hatte im Juli 2006 in seinem Artikel „Der Mann, der zuviel wusste“, eine beispiellose Sauerei aufgedeckt:


Chris Charlier, der Leiter des Inspektorenteams, das Irans Nuklearprogramm untersuchen sollte, war von El-Baradei kaltgestellt worden, weil der Iran es so gefordert hatte.

Doch schön der Reihe nach:

Als Charlier im April 2006 in Teheran ankam, um die Atomanlagen Teherans zu untersuchen, musste er folgende deprimierende Erfahrung machen:

Wo immer wir hingingen, was immer wir getan haben, sie waren immer hinter uns, haben uns mit Videokameras überwacht, jedes einzelne unserer Gespräche aufgenommen, uns keine Sekunde lang aus den Augen gelassen, uns immer über die Schulter geschaut. Wie zum Teufel sollen wir da vernünftig arbeiten können?
Wie reagierte sein Chef El-Baradei?

Als er - ebenfalls im April 2006 - zu Konsultationen nach Teheran fuhr, verlangte Ali Laridschani, sein direkter Gesprächspartner und Chefunterhändler des schiitischen Gottesstaates, ultimativ die Ablösung von Chris Charlier.
Und El-Baradei kam der Forderung bereitwillig nach.

Wie kann man dem Kussfreund Laridschani eine Bitte abschlagen? Dabei hatte Chris Charlier seit seiner ersten Visite in Teheran nichts anderes gesagt als dies:
Ich bin kein Politiker, ich bin Techniker, und als solcher interessiert mich bei meinen Inspektionen nur eines: Ist das Nuklearprogramm des Iran ein ziviles oder eine militärisches?
….und dass er zu folgender Erkenntnis gelangt sei:
Ich glaube, dass sie ihr Nuklearprogramm und ihre wahren Aktivitäten verstecken. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Teheran auf dem nuklearen Feld Dinge betreibt, von denen wir bis heute keine Ahnung haben….
Halten wir also fest (O-Ton Bruno Schirra):
In unzähligen Vermerken und Arbeitsberichten hat Charlier die Ergebnisse seiner Inspektionen festgehalten, hat die Tricks und die Täuschungsmanöver der Teheraner Machthaber aufgelistet, hat recherchiert, was einen seiner Inspekteure in Wien zu einer einzigen Schlussfolgerung führt: "Selbstverständlich baut Teheran die Bombe, und Charlier hat die Puzzleteile zusammengetragen, die das belegen. Dafür zahlt er nun den Preis".
Wie ich oben schon angesprochen habe, war Wahrhaftigkeit und konsequente Anwendung wissenschaftlich-akribischer Untersuchung sowie deren Veröffentlichung nie das Steckenpferd El-Baradeis. Doch wenn Laridschani Blut geleckt hatte, dann richtig. Lassen wir also wieder den exzellenten Rechercheur und Journalisten Bruno Schirra zu Wort kommen:
Im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" bestätigte Charlier, was europäische Diplomaten in Wien nur hinter vorgehaltener Hand erzählen. Bei seinem letzten Besuch in Teheran habe Mohammed El-Baradei nicht nur in die Ablösung seines Chefinspekteurs eingewilligt. Ali Laridschani, der engste Vertraute Ali Chameneis, des obersten geistlichen Führers Irans, bestand darüber hinaus darauf, es nicht bei der Entbindung Chris Charliers von seinen Aufgaben zu belassen. Künftig dürfe Charlier auch nicht mehr Einsicht in die iranische Atomakte in Wien nehmen.
Dass dem Chef der IAEA Kritik aus der eigenen Behörde am Allerwertesten vorbei ging (und heute noch geht), zeigt auch das verzweifelte Resümee eines Mitarbeiters der Zentrale in Wien:
Das ist eine Bankrotterklärung unserer Arbeit, sagt ein Wiener Atom-Inspekteur. Mohammed El-Baradei knickt den Mullahs gegenüber ein, lässt uns im Regen stehen. Warum lassen wir das iranische Atomprogramm nicht gleich durch Teheran selbst kontrollieren?
Die halbherzig hinterher geschobene „Erklärung“ eines IAEA-Adlanten El-Baradeis macht’s auch nicht besser, wenn er verlauten lässt, dass "es stimmt, dass Chris Charlier seit April dieses Jahres nicht mehr in den Iran fahren darf, […] Teheran hat seine Ablösung verlangt."

So etwas nenne ich Spitzendiplomatie. Wow!


Die Heuchelei der IAEA folgt auf dem Fuße in einem Gespräch mit der WELT-Redaktion:

Die Publikation gefährdet Chris Charlier und setzt darüber hinaus die `Arbeitsgrundlage` unserer Inspekteure aufs Spiel.
„Welche Arbeitsgrundlage?“, kontert Charlier völlig zu Recht:
Die ist allein dadurch aufs Spiel gesetzt worden, dass Mohammed El-Baradei ohne Not der Erpressung durch Teheran stattgegeben hat. De facto ist das das Ende einer halbwegs vernünftigen Kontrolle des iranischen Nuklearprogramms durch die IAEA.
Am 1. August 2005 [also 9 Monate vorher; Castollux] sprach der Bruder des iranischen Chefunterhändlers Ali Laridschani offen über die wahre Natur des iranischen Nuklearprogramms. Der iranischen Nachrichtenagentur ILNA gegenüber sagte er:
Der Atomwaffensperrvertrag ist tot. Der Streit zwischen dem Iran und dem Westen um das iranische Nuklearprogramm dreht sich nicht darum, ob der Iran den nuklearen Brennstoffkreislauf schließt. Der Streit geht darum, ob der Iran nukleare Waffen bauen darf oder nicht. Wir streiten uns mit den Europäern darüber, ob wir hochwertiges Uran anreichern dürfen oder nicht. Wenn unsere blutdürstigen Feinde wie Amerika und Israel uns bedrohen, dann haben wir das Recht, uns nuklear verteidigen zu dürfen, und wir sind nicht bereit dieses Recht aufzugeben.
El-Baradei, Bruder im Geiste Ali Laridschanis, hatte die Botschaft seiner islamischen Brüder verstanden. Er ließ Charlier in Wien Büroklammern zählen.

Leider kann man El-Baradei den Friedensnobelpreis nicht mehr aberkennen. Hat er mildernde Umstände verdient, weil er vielleicht, wie manch' radikalpazifistisch indifferente "Friedensfreunde" und antizionistische Besitzstandswahrer hierzulande, die Süddeutsche Zeitung liest?

Ach du lieber Himmel!

*Auch: Larijani. Ich habe aber die Schreibweise beibehalten, die ich in früheren Beiträgen gebrauchte.

Quelle:
SPIEGEL

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